Die visionäre Malerei
          Eine Philosophie der Malerei

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Auswege aus der Krise
Im allgemeinen Umbruch der Wende zum 20. Jh. suchen auch Maler wie Kandinsky, Malewitsch, Delaunay, Mondrian, Klee und Itten nach dem Ursprung künstlerischen Ausdrucks und streben nach "reiner Wirklichkeit", "reiner Energie", "reiner Vitalität", "reinen Farben", "reinen Kompositionen" und "reinen Visionen". Sie plädieren dafür, sich vom Gegenstand zu lösen, Farben und Flächen als solche sprechen zu lassen, und gehen in Richtung Abstraktion. Mit seiner "Schule reinen Schauens" teilt Egon von Vietinghoff ihren Ansatz und befreit sich auf seine Weise vom naturalistischen Realismus. Wie Mondrian, Delaunay, Vlaminck und Campigli wendet er sich nach einer sehr kurzen Experimentierphase vom Kubismus ab.
Doch trotz gemeinsamer Unzufriedenheit und gleicher Grundbegriffe führt ihn seine Logik zu entgegengesetzten Konsequenzen. Für ihn ist bildende Kunst eine Sprache, die gegenständlicher Formen bedarf, um verstanden zu werden. Da Farben (außer bei Lichtbrechungen) immer an Objekte gebunden sind, muss für ihn Malerei gegenständlich sein. Während die Bilder seiner Zeitgenossen zunehmend flächiger und kühler werden, erscheinen die seinen immer plastischer und wärmer.
Unabhängig von den Strömungen der Zeit beginnt er die Originale der Alten Meister zu studieren und pendelt in Paris manchmal täglich zwischen dem Musée du Louvre und seinem Atelier hin und her, um dort seine Beobachtungen experimentell umzusetzen. Er entdeckt dabei nicht nur die mehrschichtige Öl-Harz-Lasurentechnik sondern auch den spirituellen Aspekt echter Kunstwerke. Die dahin führende Sicht der Dinge nennt er "Vision", die solche Visionen sichtbar machende Malerei "Visionäre Malerei". In andere Sprachen wurde dieser Begriff als "Transzendentale Malerei" übersetzt.
 

Visionäre (transzendentale) Malerei

Um die Welt wahr-zunehmen, öffnet sich Vietinghoff unvoreingenommen gegenüber den Erscheinungen der Natur. Was er malt ist allerdings nicht die Oberfläche der Objekte, sondern deren Auflösung in farbliche Wechselwirkungen, die sich vor seinen Augen abspielen. Er gibt ein Farbenspektakel wieder, in das er sich versenkt und nicht eine Ansammlung beschreibender Einzelbeobachtungen. Da Farben- und Lichtspiel von realen Dingen ausgehen, ist "Visionäre Malerei" zwar gegenständlich. Insofern sie aber diese Sinneseindrücke und nicht die messbaren Eigenschaften der Objekte wiedergibt, ist "Visionäre Malerei" gleichzeitig auch das Gegenteil von Naturalismus.
"Visionäre Malerei" bildet einerseits nicht einfach ab, erfindet andererseits auch nichts auf dem Wege intellektueller Konstruktionen. Sie sucht das Wesen der Welt und gelangt über deren rein sinnliche Erscheinung zu metaphysischen Einsichten. Damit findet Vietinghoff die Alternative zu den Polen Naturalismus und Abstraktion bzw. Kopie und Konstruktion.
Mit dem Blick ausschließlich auf die Licht- und Farbenspiele gerichtet, erschließt er dem Betrachter die schlichten Wunder des Lebens. Damit provoziert sogar seine Kunst in Zeiten abstrakter und politisch engagierter Malerei.
Von einem philosophisch-mystischen Ansatz ausgehend versteht er unter Phantasie die Fähigkeit des menschlichen Geistes zu transzendentem Wahrnehmen. Die Intuition eine Art "Sechster Sinn" führt in künstlerischer Steigerung zur Inspiration und bedient sich der Phantasie als eines Wahrnehmungsorgans für die irrationale, absolute Wirklichkeit, die wir mit unserem beschränkten Weltbild nur zeitweise erahnen. Phantasie ist also kein origineller Gedanke, keine spekulative Träumerei, keine willentliche Umformung oder Verfremdung der Phänomene.
 

Die Schule reinen Schauens

Der Weg zur visionären Malerei geht über eine bestimmte Art des Sehens, eine ausschließlich Farbe und Licht wahrnehmende "ungegenständliche", d.h. vom Gegenstand gelöste Schau der Dinge.
Räumliches Sehen haben wir als Kinder erst einmal lernen müssen. In der Projektion auf dem Augenhintergrund breiten sich die Bilder flächig aus – ebenso auf der Leinwand eines Malers. Gegenständliches Sehen entsteht erst im Zusammenwirken von Auge und Tastsinn. Es geht aus vielen kleinen Erfahrungen hervor und ist mit Wissen über die stoffliche Welt vermischt, das nicht ursprünglich visueller Natur ist, d.h. nicht über das Auge ins Bewusstsein gekommen ist, sondern sich z.B. auch auf Tastsinn und intellektuelle Reflexion abstützt.
"Ungegenständlich" und "rein" versteht Vietinghoff im Sinne von konsequent farblich, aufgrund der reinen Sehfunktion der Augen zustande gekommen, jedoch nicht abstrakt im Sinne von geometrisch, flächig oder symbolisch. Rein visuell meint auf rein sinnlicher Wahrnehmung basierend, unverfälscht durch Hinzufügen, Verfremden oder gedankliche Absichten insgesamt befreit vom angelernten Wissen.
In Jahre langen meditativen Sehübungen öffnet sich Vietinghoff dem absichtslosen Wahrnehmen der Objekte als nebeneinander existierender Farbflächen und macht sich so empfänglich für die Eingebung. In dieser "Schule reinen Schauens" werden frühere Erkenntnisse und Annahmen über die Stofflichkeit von Gegenständen ausgeblendet: diese werden in einzelne Farbpartien aufgelöst und der Maler vollzieht nur die innere Dynamik von Licht und Farbe nach. Die dreidimensionalen Objekte werden vom Künstler nur vorübergehend in ein Nebeneinander von Farbflächen übertragen. Der Beschauer vollführt die Rückübertragung in die räumliche Sichtweise ohne jede Schwierigkeit, da es der Mensch eben gelernt hat, gegenständlich zu sehen.
Den visionären Künstler in seiner meditativen Konzentration auf reines, absichtsloses Schauen vergleicht Vietinghoff mit einem Bogenschützen des Zen-Buddhismus: beide schalten in Meditation Wille und Gedanken aus und öffnen sich für andere Erfahrungen als die bekannten und zur Bewältigung des Alltags benötigten. Die Welt erscheint nur noch als Zusammenwirken von Farbtönen und -schattierungen in farblichem Kontext, d.h. als Farbsymphonie, als "Drama von Farbe und Form" und zeigt dem Betrachter einen anderen als den bereits bekannten Aspekt.

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